Interview mit Norbert Nolte
Mit beeindruckender Leidenschaft und jahrzehntelangem Engagement hat Norbert Nolte den Judosport nicht nur geprägt, sondern auch Generationen von Sportlerinnen und Sportlern inspiriert.
Anlässlich der Verleihung des 9. Dans und seines langjährigen Wirkens im Judo haben wir mit ihm über seine Anfänge, Erfolge und Erfahrungen gesprochen.
Anfänge im Judo
F: Wann und wo hast du mit dem Judo angefangen und was hat dich damals zu diesem Sport gebracht?
Eigentlich wollte ich schon mit 14 Jahren mit dem Judosport anfangen, aber meine Mutter war der Überzeugung, dass Judo kein Sport für mich sei. Sie meinte, Judo wäre etwas für Randalierer. Ich selbst konnte es mir von meinem Taschengeld auch nicht leisten, denn das reichte weder für den Judoanzug noch für den Vereinsbeitrag.
Mit 20 Jahren hatte ich mitbekommen, dass ein junger Mann aus der Nachbarschaft bereits den blauen Gürtel erreicht hatte. Durch diese Inspiration habe ich dann am 1.10.1963 beim Polizei-Sportverein Saar in Saarbrücken meine Judokarriere begonnen.
F: Wie hat sich der Judosport deiner Wahrnehmung nach seit deinen Anfängen verändert?
Für mich hat sich der Judosport wenig verändert. Er besteht nach wie vor aus Wurf- und Grifftechniken, die nach unterschiedlichen Lehrmethoden vermittelt werden. Natürlich haben sich im Laufe der Zeit spektakuläre Abweichungen von den Grundtechniken ergeben, die auch durch ständig angepasste Regelwerke entstanden sind.
Ein gutes Beispiel ist der Kata-guruma, das Schulterrad, das früher mit einem Griff zwischen den Beinen ausgeführt wurde. Das Beingreifverbot hat zu interessanten Varianten dieses Wurfs geführt.
Das Regelwerk hat Judo auch dahingehend verändert, dass es für den Betrachter verständlicher wurde. Zudem ist das Wettkampfjudo meiner Meinung nach sehr athletisch und international geworden. Unsere Kader-Athletinnen und -Athleten sind weltweit unterwegs, um bessere Ranglistenplätze zu erkämpfen.
Karriere und Erfolge
F: Was war dein erster Gedanke, als du von der Verleihung erfahren hast?
Ich war positiv überrascht, dass ich von meinem Landesverband, genauer gesagt vom Präsidium, vorgeschlagen wurde. Gleichzeitig war da trotzdem noch eine anfängliche Skepsis, die sich aber durch eine PowerPoint-Präsentation, welche meine judospezifische Laufbahn darstellte, legte. Diese Präsentation überzeugte das höchste Organ im DJB, die MV, einstimmig.
F: Was betrachtest du als deinen größten Erfolg – und worauf bist du besonders stolz?
Es gab viele Erfolge. Mein erster Erfolg als Kämpfer war der Aufstieg in die Oberliga, wobei ich das sprichwörtliche Zünglein an der Waage war – ich musste mit Ippon gewinnen, ein Waza-ari hätte nicht ausgereicht.
Stolz bin ich bis heute, obwohl es schon über fünf Jahrzehnte zurückliegt, auf den Zusammenschluss zweier Vereine: dem Kodokan Karlsruhe mit dem 1. Judo- und Karate Club Karlsruhe zum heutigen Budo-Club Karlsruhe. Die Fusion fand 1968 statt. Durch die Bündelung der Kräfte zweier kampfstarker Vereine gelang dem neu gegründeten Budo-Club 1969 der Aufstieg in die damals neu entstandene Judo-Bundesliga.
Der Budo-Club Karlsruhe ist heute ein Mehrsparten-Budo-Verein mit über 1000 Mitgliedern und einem Dojo als Trainingsstätte, wie es nur wenige in Deutschland gibt.
Mit Stolz erfüllt mich auch die 1993 gegründete Arbeitsgemeinschaft ARGE-Judo mit hauptamtlichen Kräften, einem Leistungssportkoordinator und Trainern. Gemeinsam mit meinem Sportkameraden und Freund Paul Ulbrich hatten wir im Wechsel den Vorsitz inne, wobei die leistungsportliche Optimierung im Vordergrund stand.
Ich möchte aber auch meinen größten Misserfolg erwähnen: Den Auftrag zur Vorbereitung des Zusammenschlusses der Verbände erhielten wir 2003 von der Mitgliederversammlung. Zwei Jahre lang erarbeiteten wir eine Satzung sowie Ordnungen. 2005 in Mühlacker sollte der Zusammenschluss gelingen. Württemberg stimmte dafür, doch Baden erreichte nicht die für den Zusammenschluss notwendige Mehrheit.
F: Hast du nach dem 9.Dan noch weitere Ziele im Judo, die du verfolgen möchtest?
Soweit es meine Gesundheit zulässt, möchte ich weiterhin im BJV als Ehrenpräsident im Ehrenrat, als Dan-Prüfer und als ständiges Vorstandsmitglied präsent sein und mitarbeiten. Dasselbe gilt auch für den DJB, wo ich ständiges Mitglied im Ehrenrat bin. Sofern es die Mitgliederversammlung zulässt, verbleibe ich auch im Rechtsausschuss.
F: Gibt es ein Motto, ein Spruch oder Satz, der dich während der gesamten Judokarriere begleitet hat?
Ja, Judo ist ein Kampfsport, so liegt mein Motto nahe: Gebe niemals auf.
F: Wenn du auf deine Laufbahn zurückblickst – gibt es etwas, dass du heute anders machen würdest?
Es gibt nicht viel, was ich anders machen würde. Vielleicht würde ich den gescheiterten Zusammenschluss der Verbände Baden und Württemberg aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse heute anders angehen.
Engagement und Alltag
F: Wieviel Zeit widmest du den Themen rund um den Judosport?
Abgesehen von meinen Aufgaben in den Ehrenräten des BJV und DJB, die zwei Mal im Jahr anstehen, verfolge ich täglich die News in den sozialen Medien.
Außerdem bin ich Mitglied im Fan-Club des DJB. Durch diese Mitgliedschaft führten mich bereits zahlreiche schöne Fan-Club-Reisen in Länder wie Japan, Australien, Kanada, Brasilien, Südafrika, Ägypten, Griechenland und Ungarn.
Wenn es meine Gesundheit zulässt, möchte ich weiterhin solche Reisen unternehmen.
F: Übst du den Judosport derzeit noch aktiv aus?
Ich habe in der Coronazeit einen Herzschrittmacher und eine neue Herzklappe bekommen und habe altersentsprechend noch andere „Baustellen“, die es mir nicht mehr erlauben, auf der Matte zu stehen.
Mit der Gründung meiner Familie und zwei Jahre nach der Geburt meines Sohnes habe ich 1974 meine aktive Kämpferlaufbahn beendet.
Ich war 20 Jahre im damaligen Deutschen Dan-Kollegium für das Prüfungswesen verantwortlich, insgesamt 36 Jahre als Kampfrichter tätig und habe dem Badischen Judoverband acht Jahre als Vizepräsident gedient. Danach hatte ich 16 Jahre das Amt des Verbandspräsidenten inne.
In dieser Zeit habe ich im Haus des Sports des Badischen Sportbundes Nord Geschäftsstellenräume angemietet, eine Halbtagskraft eingestellt und an 4 Tagen in der Woche aktiv mitgearbeitet. Beim 1. Bruchsaler Budo-Club habe ich die Judoabteilung neu aufgebaut, war zehn Jahre Abteilungsleiter und vier Jahrzehnte Trainer der Judoabteilung.
Persönlichkeit und Werte
F: Welchen Eindruck, glaubst du, hinterlässt du beim ersten Kennenlernen auf andere Menschen?
Ich glaube, dass ich für andere als unnahbar erscheine, aber nach ersten Gesprächen kommt man zu Erkenntnis meiner Umgänglichkeit.
F: Was tust du heute – abgesehen vom Judo – um körperlich fit zu bleiben?
Ich gehe gelegentlich ins Fitnessstudio und beschäftige mich mit den Geräten, gebe aber zu, dass mir das kein Spaß macht. Einmal in der Woche gehe ich in ein Thermalbad mit anschließenden Saunagängen. Ansonsten widme ich mich meiner weiteren Passion: Ich habe gemeinsam mit einem Partner in Ortsnähe ein Jagdrevier gepachtet. Wir haben dort eine Überpopulation von Wildschweinen. Durch Hegeabschüsse müssen wir Schäden in der Forst- und Landwirtschaft vermeiden, da uns sonst Wildschadensregulierungen drohen.
In diesem Zusammenhang gibt es im Jahresverlauf immer ausreichend Revierarbeiten zu erledigen – auch hier ist Fitness gefragt.
F: Welche Botschaft oder welchen Rat würdest du der heutigen Judo-Jugend mit auf den Weg geben?
Meine These lautet: Es ist leicht, tausend Dinge zu tun, doch man kann nur in einer Sportart Meister werden.
Mein Rat ist daher, sich in jungen Jahren für eine Sportart zu begeistern und zielstrebig an sich selbst zu arbeiten.
Ich empfehle den Jugendlichen, die Judoregeln und -werte – die nicht nur im Sport, sondern auch im Leben gelten – zu verinnerlichen, wie Höflichkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Mut und Selbstbeherrschung.
Abschluss
F: Wenn du auf all die Jahre auf und neben der Matte zurückdenkst – was bedeutet Judo für dich persönlich?
Ich bin vorzeitig in die Tätigkeit als Funktionär gedrängt worden und meiner Verantwortung in der Funktion bewusst geworden. Natürlich habe ich in allen Ämtern etwas erreicht, was wiederum neue Verantwortungen mit sich brachte.
Im Laufe meiner Judolaufbahn habe ich viele Gleichgesinnte und Freunde gefunden – einige sind leider schon verstorben.
Besonders erfüllt hat mich jedoch meine Trainertätigkeit im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbereich. Unzählige Judoka habe ich durch Kyu-Gürtelprüfungen bis hin zu hohen Dan-Graden geführt.
So wird man ein Teil des Systems – und Ehrungen blieben nicht aus:
- Ehrenpräsident: Budo-Club Karlsruhe, Badischer Judo-Verband
- Ehrenmitglied: Deutscher Judo-Bund, Badischer Sportbund Nord, 1. Bruchsaler Budo-Club
- Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg
- Träger des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- Graduierungen durch Ehrung: 6., 7., 8. und 9. Dan des Deutschen Judo-Bundes (Die Dan-Grade 1 bis 5 habe ich durch Prüfung erworben.)
- Trainer-A-Lizenz Leistungssport
- 42 Jahre Trainer beim 1. Bruchsaler Budo-Club
- 10 Jahre Judo-Abteilungsleiter des 1. Bruchsaler Budo-Clubs
- Bundeskampfrichter mit A-Lizenz, 3 Jahre Kampfrichter-Referent im BJV
- 36 Jahre Kampfrichter
- 8 Jahre Vizepräsident des Badischen Judo-Verbands
- 16 Jahre Präsident des Badischen Judo-Verband
- 20 Jahre Tätigkeit in der Landesgruppe des Deutschen Dan-Kollegiums (zuständig für das gesamte Prüfungswesen)
- 4 Jahre Vizepräsident des Budo-Club Karlsruhe
- 2 Jahre Präsident des Budo-Club Karlsruhe
- Beteiligung am Bau von drei Dojos
- Anmietung, Einrichtung und 9-jährige Leitung der Geschäftsstelle des BJV im Haus des Sports
Wir sind dankbar für dieses Gespräch und die Einblicke in ein Leben, dass sich dem Judo so leidenschaftlich gewidmet hat. Norbert Noltes Erfahrungen und sein Engagement sind ein Vorbild für alle, die diesen Sport lieben und weitertragen.